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Philosophie

Der, der den Geist rief

René Descartes hat der Philosophie ein »denkendes Ding« beschert und damit zugleich eine radikale Logik wie eine Innerlichkeit. Allerdings gab er der Welt auch ein bis heute ungelöstes Rätsel auf: das Leib-Seele-Problem. Über einen äußerst einflussreichen Denker.

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von
Thomas Vašek
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Philosophie

Der, der den Geist rief

Es ist die Nacht vom 10. auf den 11. November 1619, in Europa tobt bereits der Dreißigjährige Krieg. Der junge Offiziersanwärter René Descartes hat mit der Armee ein Winterquartier in Neuburg bei Ulm bezogen. In ebenjener Nacht hat er einen wilden, rätselhaften Traum. Während eines Sturms sieht er sich auf einem Weg gehen. Als er sich in einer Kirche in Sicherheit bringen will, hindern ihn Sturmböen daran, das Gotteshaus zu betreten. Dann bietet ihm ein Unbekannter eine exotische Frucht an. Donnerschläge; Funkensprühen. Zwei Bücher auf einem Tisch, ein Wörterbuch und ein Gedichtband. Darin ein lateinischer Vers: »Quod vitae sectabor iter?« – »Welchen Lebensweg soll ich einschlagen?« Descartes deutet seinen Traum als die Suche nach der Wahrheit in der Wissenschaft – und als Mahnung zur Umkehr.

Von Kindheit an hatte Descartes eine profunde wissenschaftliche Ausbildung genossen, besonders gefielen ihm die mathematischen Disziplinen »wegen der Sicherheit und Evidenz ihrer Beweisgründe«, wie er später schrieb. Doch schon dem kleinen Descartes kamen Zweifel. Warum gibt es unter den Philosophen so viele verschiedene Meinungen über ein und dieselbe Sache? Wie können wir überhaupt das Wahre vom Falschen unterscheiden?

Der Ulmer Traum hatte Folgen. Descartes erkannte, dass ihn seine Studien nicht weiterbrachten. Er fasste den Entschluss, sich zurückzuziehen – und alles noch mal von vorn zu durchdenken. Auf seinen Verstand allein wollte er sich verlassen, nicht auf irgendwelche Lehrmeinungen. »Schon vor Jahren bemerkte ich, wie viel Falsches ich von Jugend auf als wahr hingenommen…

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Nr. 2/2017